Rückblick auf den 2. Technologietag des Fraunhofer IDMT

Qualitätssicherung = Akustik + Künstliche Intelligenz!?

Neue Kooperationspartner finden und die Forschung und Entwicklung an Verfahren zur akustischen Qualitätssicherung mit Künstlicher Intelligenz von Anfang an mitgestalten.

Wer vorher ZUHÖRT, kann nachher MITREDEN.

Unser Rückblick auf den 2. Technologietag des Fraunhofer IDMT am 1. Oktober 2019 in Erfurt

Das Fraunhofer IDMT bietet eine Plattform für den fachlichen Austausch zur Qualitätssicherung mittels Künstlicher Intelligenz.

Zur zweiten Auflage der Veranstaltungsreihe des Geschäftsfelds »Industrial Media Applications IMA« trafen sich rund 60 Interessierte aus den Bereichen Messtechnik, Sensorik sowie Maschinen- und Anlagenbau im Erfurter Zughafen, um sich über das Trendthema Künstliche Intelligenz (KI) in Kombination mit akustischen Messverfahren zu informieren.

Sieben Vertreter aus Industrie und Wissenschaft gaben in ihren Vorträgen Einblicke in die Anwendung akustischer Messsysteme in der unternehmerischen Praxis. Besonderer Fokus lag dabei auf den Vorteilen, die sich durch den Einsatz von KI hierbei ergeben, aber auch auf den Hemmnissen, die es derzeit noch gibt.  

»Künstliche Intelligenz – nützlich oder völlig überschätzt?«

In seiner Eröffnungs-Keynote stellte Prof. Ralf Otte von der Technischen Hochschule Ulm und Autor des Buches »Künstliche Intelligenz für Dummies« die Grundlagen von KI und der damit verbundenen Teildisziplin des maschinellen Lernens vor. Im weiteren Vortrag gab er einen Ausblick auf die nächsten 20 bis 30 Jahre mit KI und stellte die Frage, ob es erstrebenswert ist, einer Maschine alles Erlernbare anzutrainieren, um mithilfe technischer Systeme intelligentes Verhalten nachbilden zu können.

Ein fiktiver Anwendungsfall: akustische Puckerkennung beim Air-Hockey.
Im Dialog mit der Industrie: Bedarfe, Bestrebungen und Hemmnisse gemeinsam identifizieren.

Aus der Praxis in die Wissenschaft – und zurück in die Anwendung

In den Praxisvorträgen wurde deutlich, dass die Unternehmen sich dem Trendthema »maschinelle Lernverfahren basierend auf akustischen Messdaten« immer häufiger stellen. Der Grund dafür sind die enormen Datenmengen, die entstehen, und die notwendige Genauigkeit bei der Auswertung der Messdaten. Die Zusammenfassungen der Beiträge sind im Reiter »Abstracts«  zu finden.

Über die Hemmnisse beim Einsatz von KI

In der Podiumsdiskussion stellte Institutsleiter Prof. Joachim Bös als Gesprächsleiter die Frage nach den Hemmnissen, die vor allem KMU noch daran hindern, sich auf das Thema KI im eigenen Betrieb einzulassen und was man tun müsse, um beim Anwender Klarheit über dieses Thema zu schaffen. Johannes Kortmann, Abteilung Product Management and Innovations bei Bilfinger Digital Next, stimmte zu, dass in Unternehmen maschinelle Lernverfahren aktuell eher zögerlich genutzt werden. Vor allem die Verwendung sensibler Prozessdaten zu Trainingszwecken in einer Cloudumgebung stellt eine mitunter große Hürde in der Beschaffung von realen Trainingsdatensätzen dar.

Johannes Kortmann referiert über Audio-Klassifizierung zur Überwachung von Anlagenzuständen.
Podiumsdiskussion: vorher zuhören und nachher mitreden.

Laut Kortmann herrsche häufig noch viel Misstrauen in die Cloud-Sicherheit und zu wenig Vertrauen in den Mehrwert, der aus der Analyse der Messdaten auf Basis von KI hervorgeht: »Dieser muss in Zusammenarbeit mit dem Kunden erst deutlich aufgezeigt werden, bevor er sensible Messdaten herausgibt«. Den Mehrwert bezeichnet Herr Kortmann als die Kombination aus dem Wert der Daten für das Unternehmen, deren Verfügbarkeit und der Interpretation der Ergebnisse.

»Kann der Rückgang der dritten Trendwelle zum Thema KI vermieden werden?«

Aus der einleitenden Keynote von Prof. Otte ging hervor, dass die ersten beiden Trendwellen zur Erprobung von KI in den 1950er und 1980er Jahren an einer zu großen Aufbruchseuphorie scheiterten. 

Konstanze Olschewski, Geschäftsführerin der Alpha Analytics GmbH und Teilnehmerin der Podiumsdiskussion, bestätigte die damaligen hohen Erwartungen, »mit denen man versuchte, alle Probleme der Welt zu lösen«. Aber solange sich die Wissenschaft heute erreichbare Ziele stecke und KI nur dort einsetze, wo es sinnvoll ist und die Machbarkeit schnell und vor allem erfolgreich erprobt werden kann, biete ihr Einsatz einen echten Mehrwert und werde auch auf Akzeptanz beim Anwender stoßen, so Olschewski weiter.

Die Teilnehmenden: Matthias Ressel, Jörg Ritter, Prof. Joachim Bös, Konstanze Olschewski, Johannes Kortmann (v.l.)

»Wer vorher sorgfältig ZUHÖRT, kann nachher schneller MITREDEN«

Im Resümee der Diskussion wurde als wichtiges Zukunftsthema die gründliche Aufbereitung und Vorverarbeitung von Messdaten genannt, verbunden mit dem Wunsch, dies künftig vereinfacht oder sogar automatisiert durchführen zu können. Weitere herausgearbeitete Themen waren:

  • der Wunsch nach einer Anleitung oder Empfehlung für den Einsatz von Verfahren des maschinellen Lernens in der Praxis und darüber hinaus in ihren spezifischen Anwendungsfällen
  • die Möglichkeit zum nachhaltigen Abruf und zur Dokumentation von Expertenwissen für ein effizientes Messdaten-Management
  • die automatische Annotation der Messdaten
  • KI-Systeme sollen Experten nicht ersetzen, sondern sie vielmehr unterstützen
  • wichtiges Forschungsthema für die KI-Wissenschaft: die Erkennung von Anomalien in der Prozessüberwachung
Die automatische Erkennung von Anomalien wurde als relevantes Forschungsthema für die Prozessüberwachung identifiziert.
Dr. Jens-Uwe Meyer hält zum Abschluss der Veranstaltung ein Plädoyer zum mutigen Machen.
Wir freuen uns, Sie beim nächsten Technologietag wieder begrüßen zu können.

Ein motivierendes Schlusswort als Aufruf für das mutige Machen

Vortragsredner Dr. Jens-Uwe Meyer gab allen Teilnehmenden zum Ende des Konferenztags auf unterhaltsame Art und Weise mit auf den Weg, dem Thema KI mutig gegenüberzutreten und die fachlichen Erkenntnisse der Konferenz mitzunehmen, um im eigenen Unternehmen aktiv Prozesse und Innovationen anzustoßen. Prof. Bös bedankte sich abschließend bei allen Teilnehmenden: »Ich habe mich besonders gefreut, dass wir unseren diesjährigen Technologietag ausschließlich mit ›externen‹ Vortragenden aus der Wirtschaft und anderen Forschungseinrichtungen gestalten konnten. Dies in Verbindung mit der erfreulich hohen Teilnahmezahl zeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben und dass unsere Themen hoch relevant und spannend sind. Das Fraunhofer IDMT möchte als kompetenter Forschungs- und Projektpartner gemeinsam mit der Industrie passgenaue Lösungen für die auf dem Technologietag diskutierten Fragestellungen erarbeiten.«

Am Rande der Vorträge und Diskussionen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in persönlichen Gesprächen über ihre Erfahrungen und aktuelle Fragestellungen und Herausforderungen auszutauschen. Der nächste Technologietag findet im Herbst 2020 statt.

Unser Themenüberblick

Akustische Sensorik und Künstliche Intelligenz

  • Analyse von Luftschall, Körperschall und Ultraschall
  • Sensordatenfusion
  • Maschinelles Lernen
  • Neuronale Netze

Mess- und Prüftechnik für die akustische Qualitätssicherung

  • Berührungslose Sensorik
  • Integrierte Systeme für industrielle Anwendungen
  • Datenschutzkonformes Messdatenmanagement

End-of-Line Testing und Predictive Maintenance Szenarien aus der Industrie

  • Ausfallzeiten verringern
  • Datenschutz, Datenhoheit und Datensicherheit wahren
  • Automatisierte 100%-Kontrolle von Produkten
  • Kostenersparnis und Effizienz in der Fertigung
  • Prozessüberwachung und Qualitätskontrolle
  • Industrie 4.0

Programmausschuss

Tobias Clauß, Fraunhofer IDMT

Dr. Karsten Spreitzer, Viessmann Werke Allendorf GmbH

Jörg Ritter, RTE Akustik + Prüftechnik GmbH

Patrick Hiesinger, EurA AG

Programm

Social Event am Vorabend

18.00 Uhr

Funzelführung über den Petersberg und durch die geheimen Horchgänge der Festung

20.00 Uhr

Gemeinsames Abendessen im Kromer´s Restaurant & Gewölbekeller

2. Technologietag

9.00 Uhr

Registrierung, Fachausstellung, Zeit zum persönlichen Austausch

10.00 Uhr

Begrüßung der Teilnehmer und Eröffnung der Veranstaltung

Prof. Dr.-Ing. Joachim Bös, Fraunhofer IDMT

10.15 Uhr

 

Keynote-Vortrag: »Künstliche Intelligenz - nützlich oder völlig überschätzt?«

Prof. Dr.-Ing. Ralf Otte, Autor des Buches »Künstliche Intelligenz für Dummies« (2019)

11.00 Uhr 

Ultraschall in der Prozessüberwachung und Qualitätssicherung

Prof. Dr. Peter Holstein, SONOTEC GmbH

11.20 Uhr

Kavitationsüberwachung an Wasserturbinen mittels Körperschallmessverfahren

Horst Trattnig, Vallen Systeme GmbH

11.40 Uhr

Cognitive Sensor – Audio Klassifizierung für Anlagenzustände

Johannes Kortmann, Bilfinger Digital Next GmbH

12.00 Uhr 

Mittagspause, Fachausstellung, Zeit zum persönlichen Austausch

13.00 Uhr

Zustandsüberwachung von elektromechanischen Antriebssystemen mit vorhandenen Sensordaten

Dr.-Ing. Christian Adams, TU Darmstadt

13.20 Uhr

Akustische Analyse auftretender Prozessabweichungen im WAAM von niedrig legierten Stählen mit Methoden des maschinellen Lernens

Dr.-Ing. Jörg Hildebrand, TU Ilmenau

13.40 Uhr

Auditory Augmented Reality in Production (AARIP)

Prof (FH) Dr. Michael Iber, FH St. Pölten

14.00 Uhr

Akustische Zustandskontrolle zur Überwachung stationärer und transienter Vorgänge in Kraftwerken

Matthias Ressel, Vattenfall Wasserkraft GmbH

14.20 Uhr

Kaffeepause, Fachausstellung,  Zeit zum persönlichen Austausch

15.00 Uhr 

Podiumsdiskussion

16.00 Uhr

»Innovation ist eine Geisteshaltung – Ein Plädoyer für das mutige Machen«

Dr. Jens-Uwe Meyer, Vortragsredner

16.45 Uhr

Ende und Ausklang der Veranstaltung

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