Im Interview mit Christoph Sladeczek

Schon während seines Studiums war Christoph Sladeczek als freier Tontechniker auf der Suche nach dem perfekten Klang. Heute beschäftigt ihn das Thema immer noch – in anderer Position, aber mit nicht weniger Leidenschaft als damals. Ging es ihm früher darum, das Publikum eines Rockkonzerts mit guter Akustik zu begeistern, geht es ihm heute um den perfekten Klang von Produkten – und das in einer Phase, in der das Produkt nur als virtueller Prototyp existiert. Im Interview mit Christoph Sladeczek, Leiter der Gruppe »Virtual Acoustics«, über den guten Klang von Produkten und virtuelle akustische Produktentwicklung.

Im Interview mit Christoph Sladeczek
© Fraunhofer IDMT
Christoph Sladeczek, Gruppenleiter »Virtual Acoustics« am Fraunhofer IDMT

Herr Sladeczek, Sie arbeiten seit nunmehr fast 20 Jahren mit Sound. Was macht für Sie die Faszination daran aus?

Für mich geht es dabei in erster Linie um Emotionen. Es gibt nichts Vergleichbares, mit dem man mehr Emotionen erzeugen kann als mit Sound. Aber der Klang muss stimmen. Es muss der »richtige« Ton sein – ob nun bei einem Rockkonzert oder bei einem Produkt. Mittlerweile entdecken immer mehr Unternehmen die Macht des Klangs und beschäftigen häufig professionelle Sounddesigner, denn das Ohr kauft mit.

Warum ist der Klang von Produkten heute so viel wichtiger als noch vor ein paar Jahren?

Gerade im Zeitalter gesättigter Märkte wird es für Unternehmen zunehmend schwierig, sich im Wettbewerb authentisch zu differenzieren. Der Klang ist dabei ein wichtiges Kriterium, das letztlich mit entscheidend für den erfolgreichen Verkauf sein kann. Die Automotive-Branche war eine der ersten, die das erkannt hat und einen hohen Aufwand in die akustische Optimierung ihrer Produkte steckt. Auch in anderen Branchen, wie im Maschinenbau, wird die Optimierung der Akustik immer wichtiger. Hier geht es vor allem darum, eine Maschine oder eine Anlage so zu konstruieren, dass sie von sich aus weniger Lärm emittiert. Stichworte sind hierbei Umwelt- oder Lärmschutz am Arbeitsplatz.

Inwieweit unterstützen Sie mit Ihrer Entwicklung die Unternehmen dabei?

Am Fraunhofer IDMT beschäftigen wir uns schon seit fast zwei Jahrzehnten mit Verfahren zur räumlichen Audiowiedergabe. Mit unserer 3D-Audiotechnologie »SpatialSound Wave« haben wir den Entertainment-Bereich revolutioniert. Unser Ziel ist es nun, dieses Verfahren auch in den industriellen Bereich zu bringen, um den Klang von Produkten oder Maschinen räumlich hörbar zu machen und zu optimieren – bevor sie gebaut werden. Im Projekt »AVP3« haben wir gemeinsam mit Unternehmen aus der Industrie und weiteren Forschungseinrichtungen erstmalig einen virtuellen Prototypen – in dem Fall eine Hydraulikpumpe – visualisiert und gemeinsam mit den akustisch voraus simulierten Daten in einem VR-System realitätsnah, akustisch dreidimensional wiedergegeben.

Wie unterscheidet sich Ihre Technologie von heutigen Methoden zur Akustiksimulation?

Mit Hilfe von CAD-Programmen werden heutzutage schon viele Produkte virtuell am Rechner konstruiert, noch bevor ein erster Prototyp gebaut wird, denn der Bau von Prototypen ist häufig sehr kostenintensiv. Mit Simulationswerkzeugen lassen sich verschiedene Produkteigenschaften, auch akustische, voraussagen, wie z. B. die Ausbreitung des Luftschalls. Die simulierten Ergebnisse werden als sogenannte Falschfarbendiagramme dargestellt. Stellt man sich z. B. die Geometrie eines Motors vor, werden auf den Motor drei Farben aufgeprägt: rot, grün und blau. Sie zeigen an, wie stark die Schwingungen sind. Aber wie klingt blau oder rot? Ich habe so zwar eine ungefähre Vorstellung davon, ob der Motor laut oder leise klingt, aber ob er einen wertigen oder blechernen Klang hat oder ein störendes Geräusch abgibt, kann ich daraus nicht ableiten. Und genau hier setzen wir mit unserer Technologie an. Wir machen den Klang des virtuellen Produkts in Echtzeit räumlich hörbar und gehen sogar noch einen Schritt weiter.

»Es darf nicht nur darum gehen, das Produkt selbst hörbar zu machen, sondern zusätzlich muss auch die Umgebungsakustik authentisch abgebildet werden.«

 

Der Motor eines Sportwagens hört sich in der Produktionshalle anders an als z. B. im Stadtverkehr, wo der Motorensound von anderen Geräuschquellen maskiert wird. Mit unserer Technologie sind wir in der Lage, diese akustische Umgebung sehr einfach und interaktiv hörbar zu machen.

Wie geht es in Zukunft weiter?

Was im visuellen Engineering heute schon Stand der Technik ist, also Produkteigenschaften, wie z. B. die Wärmeverteilung, dreidimensional zu visualisieren, möchte ich auch für die Akustik haben. Wir wollen es zukünftig ermöglichen, sich interaktiv um das akustische Objekt, also z. B. den Motor, herum zu bewegen. Vor allem vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Trends nach VR ist es das Ziel, mich in eine komplett virtuelle Welt zu begeben, mit der ich sowohl visuell als auch akustisch interagieren kann. Für die technische Umsetzung sind zwei Dinge maßgeblich: Es müssen zum einen Softwarewerkzeuge entwickelt werden, um unsere Technologie nahtlos in bestehende Produktionsprozesse zu integrieren. Zum anderen ist da die Frage nach der Etablierung eines zukünftigen Standards, der es ermöglicht, akustische Daten auszutauschen und hörbar zu machen. Heutige CAD-Programme sind noch nicht in der Lage, akustische Daten abzuspeichern. Damit müssen wir uns in Zukunft intensiv beschäftigen und sind dazu auch schon mit verschiedenen Unternehmen im Gespräch.

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