Im Interview mit Patrick Aichroth

Informationen austauschen, ohne dass auf die Informationsgebenden rückgeschlossen werden kann. Was sich zunächst wie eine Funktionsbeschreibung für Whistleblower-Plattformen liest, ist in Wirklichkeit ein Software-System, das für Industrie und Wirtschaft von überragender Bedeutung sein kann. Patrick Aichroth über »PAUTH«, das Unternehmen und Datenprovidern den Schutz von sensiblen Informationen gewährleistet und einen Informationsaustausch ermöglicht, ohne dass auf die beteiligten Partner verwiesen wird.

Im Interview mit Patrick Aichroth
© Fraunhofer IDMT
Patrick Aichroth, Gruppenleiter »Media Distribution und Security« am Fraunhofer IDMT

Herr Aichroth, ein Datenaustausch ohne Möglichkeit zur Identifizierung der Quelle, was bedeutet das genau und warum sehen Sie darin ein so großes Potenzial für Industrieunternehmen?

Wer sich verbessern will, braucht Feedback. Das gilt für Menschen ebenso wie für Maschinen. Doch während sich beim Menschen durch »learning by doing« Verbesserungen auch peu à peu einstellen, ist das bei der Entwicklung und Produktion von Maschinen schwieriger. Das gilt nicht allein für die Entwicklung von Maschinen, sondern für alle Informationen zu Prozessen und in vielen IT-Systemen: Wenn die entsprechenden Daten anderen Akteuren zur Verfügung stünden, könnte das die Zusammenarbeit optimieren. Aber weil diese Daten auch Rückschlüsse auf eigene Prozesse und Methoden erlauben können, findet dieser Datenaustausch oft nicht statt.

Die Frage ist also: Wie lässt sich der Vorteil eines Informationsaustausches nutzen, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen?

Genau. Wie lässt sich die Datenhoheit von beteiligten Geschäftspartnern sichern und wie lässt es sich verhindern, dass das Produktions-Know-how direkt oder indirekt an Wettbewerber gelangt. Unser Team am Fraunhofer IDMT hat dafür mit dem PAUTH-Protokoll eine Lösung entwickelt: Wir entkoppeln die Daten von ihrer Quelle. Das hört sich simpel an, Methodik und Umsetzung dahinter sind aber komplex.

 

»Der Ansatz  ermöglicht den Urhebern von Daten, die Souveränität über ihre Daten zu behalten und sie dennoch unkompliziert und schnell zu teilen.«

 

Für die ursprüngliche reale Identität wird ein Pseudonym erzeugt, das aber nicht mehr auf die Realidentität zurückgeführt werden kann. Die Verwendung solcher IDs gewährleistet die kooperative Nutzung und Analyse von Daten bei gleichzeitigem Schutz der Herkunft in einem gemeinsamen System.

Gibt es weitere Einsatzszenarien, in denen der Einsatz von PAUTH Vorteile bringt?

PAUTH ist nicht nur für den Datenaustausch zwischen Partnern und Konkurrenten in Wertschöpfungsketten sinnvoll. Die Software ist z. B. auch gut geeignet für datenschutzfreundliche Personalisierungs- und Empfehlungssysteme, kollaborative Routenplanung, B2B-Benchmarking und datenschutzfreundliche Umfragen. Wichtig ist, dass für jeden Anwendungsfall zusätzlich zu PAUTH eine jeweils maßgeschneiderte Kombination von Anonymisierungs- und Sicherheitstools notwendig ist, um unbeabsichtigte Reidentifizierung über Daten oder Nutzungsspuren zu verhindern.

Wird PAUTH bereits in der Praxis eingesetzt?

Wir unterstützen mit PAUTH die immer häufiger gewünschte Koordination der Auslieferungen von Logistikdienstleistern in der Großstadt. In Zürich soll das Problem unter anderem durch Hubs gelöst werden. Diese kleineren Zwischenlager sollen in den Stadtteilen verteilt und einmal am Tag von einem Großlager vor der Stadt mit allen im Bezirk auszuliefernden Paketen versorgt werden. In diesem Großlager werden zuvor alle Pakete gesammelt – unabhängig davon, welchem Auslieferer sie zugeordnet sind. Ein Problem in solchen Fällen ist die Behandlung der Daten, denn um Pakete gemeinsam zu verwalten, müssten alle Logistikanbieter Absender und Empfänger der Pakete kennen. Allerdings sind die Anbieter nicht bereit, Absender und Empfänger der Pakete für eine automatisierte, zentrale Datenanalyse bereitzustellen, denn damit würden sie sensible Kunden- und Prozessinformationen preisgeben. Wir haben daher für einen Partner in der Schweiz ein Konzept realisiert, wie Paket-Informationen mit Hilfe von PAUTH von den Ursprungsdaten entkoppelt und trotzdem gemeinsam verarbeitet werden können. Derzeit ist ein Einsatz von PAUTH vor allem für den Bereich Logistik, für die Weiterentwicklung von Spezialmaschinen oder auch für Mobilitätslösungen angedacht. Für einen praktischen Einsatz ist aber das Angebot von Produkten und Dienstleitungen erforderlich. Dafür gibt es seit August 2019 die »Psoido GmbH«, ein Spin-off des Fraunhofer IDMT, die ihre Dienste als Start-up anbietet und dafür unsere Technologie einsetzt.

Das Interview basiert auf einem im Mai 2019 erschienenen Artikel auf InnoVisions – dem Zukunftsmagazin des Fraunhofer-Verbunds IUK-Technologie: http://s.fhg.de/pauth.

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