Im Interview mit Dr.-Ing. Insa Wolf

Die Interpretation von Signalen des menschlichen Gehirns ist eine Herausforderung. Die Gruppe »Mobile Neurotechnologien « des Fraunhofer IDMT in Oldenburg nimmt sich dieser an, um Systeme zur Elektroenzephalografie (EEG) in konkreten Anwendungsszenarien verfügbar zu machen – beispielsweise in der Medizin oder am sicherheitskritischen Arbeitsplatz. Die Gruppe von Dr.-Ing. Insa Wolf arbeitet insbesondere an mobilen EEG-Systemen, die die Analyse von Hirnaktivitäten alltagstauglich macht.

© Fraunhofer IDMT/Hannes Kalter
Dr.-Ing. Insa Wolf, Gruppenleiterin »Mobile Neurotechnologien« am Institutsteil Hör, Sprach und Audiotechnologie in Oldenburg.

Frau Dr. Wolf, welche Vorteile bietet gerade das EEGVerfahren?

Das mobile EEG-Labor in den Alltag der Menschen zu bringen, ist für mich besonders reizvoll.

»Durch unser diskretes und tragbares System müssen Tätigkeiten nicht unterbrochen werden«

 

So machen wir mit dem EEG-Signal Aktivitäten im Gehirn über den Tagesverlauf hinweg sichtbar. Das Ergebnis sind wertvolle Informationen zu kompensatorischen Prozessen. Für Design, Durchführung und Auswertung der Messungen bedarf es jedoch einiger Erfahrung.

Da ist es natürlich von Vorteil, dass Ihre Gruppenmitglieder und Sie das notwendige Know-how bereits mitbringen! Gab es dennoch bislang größere Herausforderungen, die Sie bewältigen mussten? 

Das Schritt für Schritt entstehende »EEG-Labor zum Mitnehmen« soll die Datenerfassung außerhalb des Labors über längere Zeiträume ermöglichen. Denn wie valide EEGAnalysen ausfallen hängt stark davon ab, wie durchgängig eine spezifische Situation erfasst wird. Hier gilt: Je länger die Beobachtung, desto besser. Und: Das bisher angewendete, langfristige Tragen einer EEG-Kappe trifft im Alltag auf nur geringe Akzeptanz. Ein weiterer Grund, weshalb wir auf mobile, möglichst unauffällige Systeme setzen. Die Interpretation der gewonnenen Daten erfordert Kenntnisse in Statistik und Machine Learning. In beiden Bereichen profitieren wir einerseits stark von unserer Expertise im Bereich der Audiosignalverarbeitung und andererseits von der Forschung im Exzellenzcluster »Hearing4All« an der Universität Oldenburg.

Das klingt spannend! Welche konkreten Anwendungsszenarien haben Sie derzeit im Blick?

Unser Ziel ist, mit unseren Lösungen einen substanziellen Beitrag zur Diagnose von Krankheiten wie Schlafstörungen oder Epilepsie zu leisten. Im BMBF-Projekt »ATTENTION« führen wir zudem Untersuchungen zur Aufmerksamkeit bei erwachsenen ADHS-Patienten durch. Auch der Nachweis von Situationen mit hoher kognitiver Belastung bietet sich an. Letzteres ermöglich die Gestaltung besonders effizienter und sicherer Arbeitsplätze. Es gibt eine Vielzahl an Mensch-Maschine-Schnittstellen, bei denen kleinste Unaufmerksamkeiten gravierende Auswirkungen haben können. In dem abgeschlossenen Projekt »NeuroSea« haben wir die kognitive Belastung eines Schiffskapitäns während des Andockmanövers im Schiffsführungssimulator der Jade Hochschule Elsfleth näher untersucht. Wie Sie sehen, finden sich eine Vielzahl unterschiedlichster Anwendungsszenarien für ein »mobiles EEG-Labor«. Zur Weiterentwicklung unserer Ansätze stehen wir daher für künftige Projekte mit Partnern aus unterschiedlichsten Branchen im Austausch.

Im Jahr 2017 wurden Sie in das Fraunhofer-Förderprogramm Talenta Speed Up aufgenommen, 2018 haben Sie die Funktion der Gruppenleitung übernommen – hat das Programm geholfen und unterstützt es Sie auch bei den aktuellen Herausforderungen?

Ein klares »Ja!« von meiner Seite. Bereits in der eindeutigen Formulierung kurz- und langfristiger Ziele hilft ein Programm wie Talenta sehr. Gleichzeitig unterstützt es mich, in meiner neuen Rolle anzukommen. Eine leitende Funktion in Teilzeit ist auch für Fraunhofer ein noch neues Modell, das aus meiner Sicht die anwendungsnahe Forschung nur reicher machen kann.

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