Im Interview mit Dr. rer. nat. Jan Rennies-Hochmuth

Dass Klangpräferenzen von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind, ist ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Gestaltung von Multimedia-Lösungen. Der Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg trägt diesem Aspekt Rechnung und bringt seine Algorithmen in die Wohnzimmer. Dr. rer. nat. Jan Rennies-Hochmuth, Gruppenleiter »Persönliche Hörsysteme« erklärt, warum das Ziel »Besseres Hören für Jedermann« in vielerlei Hinsicht ein wichtiges Leitbild darstellt.

© Fraunhofer IDMT/Hannes Kalter
Dr. rer. nat Jan Rennies-Hochmuth, Gruppenleiter »Persönliche Hörsysteme« am Institutsteil Hör, Sprach und Audiotechnologie in Oldenburg.

Herr Dr. Rennies-Hochmuth, das Fraunhofer IDMT in Oldenburg hat gemeinsam mit dem Hersteller »Humantechnik« das TV-Hörsystem »ear!s« entwickelt, das sich durch Tastendruck auf individuelle Hörpräferenzen einstellen lässt. Für wen ist ein solches Produkt besonders empfehlenswert?

Die Lösung richtet sich an Menschen, die Wert auf guten Klang und beste Sprachverständlichkeit legen. Unser Motto dabei: Jeder hört anders gut! Dieses individuelle Klangempfinden findet erstaunlicherweise in bisherigen Hörsystemen nur wenig Beachtung. Das gilt sowohl für Headsets im Business-Bereich als auch für TV-Heimsysteme.

»Mit unseren Algorithmen schaffen wir daher eine neue Ebene des Klangkomforts, von der sowohl Normalhörende als auch Hör-beeinträchtigte profitieren können.«

Solch unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden klingt herausfordernd. Wie gewährleisten Sie, dass jeder Anwender und jede Anwenderin den eigenen Lieblings-Sound findet?

Unsere Gesellschaft wird über alle Altersgruppen hinweg immer media-affiner und in vielen Bereichen werden personalisierte Lösungen angeboten. Beim Klang ist das jedoch noch nicht so, obwohl wir wissen, dass unterschiedlichere Hörpräferenzen nicht über standardisierte Klangprofile abgedeckt werden können. Vom Kunden wird eine unkomplizierte, aber hoch-individuelle Self-Fitting-Möglichkeit gefordert, die sich nach den gängigsten Facetten für akustisches Wohlbefinden richten sollte. Diese haben wir in mehrstufigen Anpassungsexperimenten ermittelt. Unsere Erkenntnisse sind anschließend in intelligente und dynamische Presets eingeflossen. Besonders angenehm in der Anwendung: Auch beim Umschalten oder bei Werbeeinblendungen können Klang- und Lautstärkeeigenschaften automatisch an die Hörpräferenzen angepasst werden.

Sie setzen Ihren Fokus nicht nur auf Consumer-Lösungen, sondern haben auch die Industrie im Blick. Herr Dr. Rennies-Hochmuth, Sie werden künftig ein neues Arbeitsgebiet am Fraunhofer IDMT leiten, das sich Mensch-Technik-Interaktionen in der Produktion widmet. Inwieweit unterstützt das den Gedanken des besseren Hörens für alle? 

Digitalisierung und künstliche Intelligenz spielen in Produktionsumgebungen eine immer größere Rolle. Effizienz-steigerungen werden zunehmend zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Die optimale, sichere Gestaltung von Mensch-Technik- und Mensch-Mensch-Interaktionen halten wir daher für hochrelevant. Wir planen im neuen Arbeitsgebiet durch Bündelung der vielfältigen Kompetenzen aus den unterschiedlichen Gruppen des Fraunhofer IDMT in Oldenburg akustische Ansätze im Bereich Industrie 4.0 zu verfolgen. Diese reichen von der zuverlässigen Sprachsteuerung bis hin zu passgenauen Handlungsempfehlungen mittels akustischem Monitoring. Auch die Kommunikation am Lärmarbeitsplatz ist ein wichtiges Anwendungsszenario. Letztendlich stellen wir uns dabei stets der Herausforderung, optimales Hören – sei es bei Mensch oder Maschine – als Grundlage einer besseren Interaktion herzustellen.

Unterstützt Sie dabei Ihre diesjährige Auszeichnung mit dem »Klaus Tschira Boost Fund«?

Selbstverständlich! Diese Förderung schafft Freiräume, durch weitere Grundlagenforschung im Bereich der Sprachverständlichkeit die Basis für zukünftige Anwendungen zu schaffen. Trotz langjähriger Forschung gibt es noch immer Wissenslücken darüber, wie das menschliche Gehör in komplexen Hörsituationen wirkt und wie störende Faktoren die Kommunikation einschränken. Erkenntnisse in diesem Feld bringen uns dem Ziel »Besseres Hören für Jedermann« ein großes Stück näher.

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