18. Tag gegen Lärm: »Jetzt singen wir es leiser!«

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»Das war doch viel zu leise, drum singen wir es lauter«, brüllt eine Kindergruppe im Chor, ein Turm aus Klötzchen fällt klackernd zusammen, ein Kind hat sich wehgetan und weint herzzerreißend, ein anderes sitzt auf der Toilette und ruft laut. Der Beruf der Erzieher erfordert ein starkes Nervenkostüm.

Wie neue akustische Technologien dazu beitragen können, die Lärmbelastung in Kindertagesstätten zu verringern, wird in dem interdisziplinären Projekt »SMARTKITA« erforscht. Intelligente akustische Erkennungsverfahren werden eingesetzt, um auszuwerten, von welchen Ereignissen im Tagesablauf ein erhöhter Lärmpegel ausgeht. Auf Basis dieser objektiven technischen Evaluation wollen die Projektpartner Konzepte für verbesserte Arbeitsabläufe erarbeiten. Die Projektgruppe für Hör-, Sprach- und Audiotechnologie des Fraunhofer IDMT entwickelt im Projekt computerbasierte Erkennersysteme, die definierte akustische Ereignisse wie Klatschen, Singen, Spielzeuggeräusche oder Schreie detektieren können. Die einzelnen Ereignisse werden in einem »Lärm-Tagebuch« aufgezeichnet.

»Natürlich müssen Kinder Krach machen dürfen. Ruhephasen sind aber genauso wichtig« so Kristina Müller vom Projektpartner pme Familienservice GmbH. Eine Befragung von Mitarbeitern in einer Modell-Einrichtung des Unternehmens habe ergeben, dass Lärm ein zentraler Belastungsfaktor im Arbeitsalltag ist. Dabei sind nicht immer nur die Kinder laut. Das Zurufen der Mitarbeiter untereinander oder der Essenswagen würden genauso als störend laut wahrgenommen.

Drei Monate lang haben die Fraunhofer-Wissenschaftler die Geräusche im Tagesablauf der Kindertagesstätte aufgenommen, um mit dem Audiomaterial ihre Erkenneralgorithmen mit Verfahren des Maschinenlernens zu trainieren. Dabei wurde großer Wert auf den Datenschutz gelegt. Für die Genehmigung der Aufnahmen wurden umfangreiche Anträge bei der Ethikkommission der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg eingereicht und Informationsveranstaltungen mit den pädagogischen Fachkräften durchgeführt. »Eine Aufzeichnung der akustischen Signale war nur in der ersten Phase der Umsetzung nötig, um die Erkennersysteme zu trainieren«, erklärt Dr. Jan Rennies vom Fraunhofer IDMT. »In Zukunft wird das Signal in Echtzeit analysiert ohne die Audiodaten zu speichern. Nur die erkannte Ereigniskategorie wird im Lärm-Tagebuch festgehalten.«

Nun wird die Technologie in der Modell-Kindertagesstätte getestet und evaluiert. Auf Basis des Lärm-Tagebuchs wollen Projektpartner und pädagogische Fachkräfte gemeinsam Maßnahmen entwickeln, um die Lautstärke zu reduzieren. Neben explizit lauten oder leisen Aktivitätsangeboten kann es zum Beispiel sinnvoll sein, die Kinder häufiger in kleine Gruppen aufzuteilen und vorhandene Räume optimaler zu nutzen. Auch dabei soll eine technische Neuerung helfen: Auf einem Tablet-PC können die Mitarbeiter der Einrichtung den aktuellen Lärmpegel für alle Räume auf der Etage einsehen. Außerdem wollen die Fraunhofer-Forscher den Erziehern ein intelligentes Babyphone zur Verfügung stellen: die akustischen Erkennersysteme können sicherheitskritische Situationen beispielsweise anhand von Weinen oder Hilferufe frühzeitig erkennen und auf dem Tablet-PC anzeigen.

Partner in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt SMARTKITA sind das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT, die locate solution GmbH, die pme Familienservice GmbH (Koordinator), das SIBIS -Institut für Sozialforschung und Projektberatung GmbH und die Vitaliberty GmbH.

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